Juni 1, 2018

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Innovation, Design Thinking, Agilität – typische Fehler

By Florian (Weltgestalter Coaching)

Juni 1, 2018

Digitale Transformation, Impact, Leadership, Lernen, Unternehmenskultur

Jede*r kennt sie – die Schlag- und Buzzwords unserer Zeit: Innovation, Agilität, Design Thinking. Digitale Revolution, Industrie 4.0. Transformational Leadership. Coaching Culture. Dabei werden viele typische Fehler gemacht.

Mir fallen viele Gründe ein, sie für relevant und sinnvoll zu halten. Immerhin hat sich die Geschwindigkeit, in der unsere Wirtschaftswelt funktioniert genau wie die Komplexität unserer Welt dramatisch erhöht in den letzten Jahren. Auch unser wissenschaftliches Verständnis über die Funktionsweise menschlichen Verhaltens hat sich verbessert, das gilt es zu nutzen. Und es braucht tatsächlich ein gehöriges Maß an tiefer Empathie für das Gegenüber, um im Informationszeitalter mit Fachkräftemangel Erfolg zu haben.

Mir fallen allerdings mindestens genauso viele Gründe ein, sie für einen schädlichen Hype und alten Wein in neuen Schläuchen zu halten. Denn sicher gab es Wandel zu allen Zeiten und an allen Orten, und wir finden eine ganze Reihe von Organisationen, die mit viel Ruhe, recht altmodisch und eigenwillig nachhaltig erfolgreich und lebendig sind und allen Stürmen der Zeit trotzen. Auch waren Empathie, Flexibilität, Entwicklungsorientierung und freudige Nutzung neuer technischer Möglichkeiten schon immer eine gute Idee.

Wie dem auch sei – um den Anspruch, sich mit diesen Schlagwörtern auseinander zu setzen, kommt man nicht herum, wenn man Verantwortung trägt für ein Team oder ein Unternehmen bzw. eine Organisation.

Dabei gibt es ein paar häufige Fehler, die ich in meiner Arbeit immer wieder beobachte. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und bewusst leicht überspitzt hier meine Top 5 der typischen Fehler, die Führungskräfte und Unternehmer*innen machen, wenn es um moderne Unternehmensführung und Innovation geht:

1) Innovationsfehler: “Immer auf der Höhe der Zeit – koste es was es wolle”

Sie rennen jeder neuesten Management-Mode nach, versuchen so schnell wie möglich die entsprechenden Themen intern zu platzieren und wechseln dabei den Fokus im Rhythmus der News auf LinkedIn? Sie verbringen mehr Zeit auf TED-Konferenzen und der Lektüre der neuesten Management-Bestseller? Sie haben zu allen Themen eine Meinung – von enthusiastisch bis zu bass ablehnend?

Dann machen Sie wahrscheinlich den Fashion Victim-Fehler.

Das Resultat ist desaströs: Niemand nimmt Ihnen die neueste Veränderungskampagne mehr ab, ihre Glaubwürdigkeit sinkt. Um so mehr, wenn unter der Geschwindigkeit das Verhältnis von Worten zu Taten leiden und unter der Orientierung an der neuesten Mode die Präzision und Offenheit in der Arbeit mit ihren Teams. Im besten Fall winken Ihre Mitarbeiter*innen und Kund*innen mit einem müden Lächeln ab und machen – durchaus erfolgreich – Business as Usual. Im schlimmsten Fall ernten Sie Resignation, Frustration und so manchen Burnout bei denen, die Ihnen gefolgt sind und nun erkennen, dass ihre Mühen umsonst waren. Ein typischer Fehler beim Versuch, innovativ zu sein.

Und wie geht es besser? Sie nutzen natürlich Inspiration von außen – am besten nicht nur durch ihren eigenen Kopf, sondern durch die ihrer Mitarbeiter*innen. Sie tauschen sich aktiv aus, bei kleinen internen Vorträgen und Diskussionen, bei Mitarbeitergesprächen, im Alltag. Sie fragen dabei neugierig nach und hören zu. Aber – sie wissen, dass das nur ein kleiner Teil des eigentlichen Entwicklungsprozesses ihrer Organisation ist. Und sie verwenden erheblich mehr Zeit darauf, Reflexion, Entwicklung, Empathie, Ausprobieren neuer Prozesse und lebendige Feedback- und Coachingkultur im Alltag zu pflegen. Und bleiben dabei aufmerksam und sensibel für die spezifischen Bedürfnisse der Menschen in ihrem Unternehmen und die Besonderheiten ihrer Unternehmenskultur.

2) Fehler “Dafür haben wir unsere Frau Özlan”

Sie wissen schon, dass “diese neuen Themen” irgendwie wichtig sind. Und weil sie damit aber so wenig wie möglich zu tun haben wollen, haben Sie jemanden eingestellt. Eine moderne, enthusiastische junge Führungskraft, am besten gleich noch so divers wie möglich. Sie war kürzlich noch an der Uni und muss ja wissen, wie “diese neuen Themen” gehen.

Dass die Arme nach einigen Monaten völlig gefrustet ist, als sie das erste Mal konkrete Änderungen in Prozessen vorgeschlagen hat und gemerkt hat, dass zu ihren Workshops immer die gleichen Leute kommen aber leider nicht die, welche Macht haben im Unternehmen, das nehmen Sie noch klaglos hin. Als sie dann kurze Zeit später genervt kündigt und mit ihr einige junge Hoffnungsträger – das wurmt sie dann schon.

Spätestens dann merken Sie – Veränderung delegieren funktioniert nur in sehr beschränktem Umfang. Es ist ein klassischer Fehler, hier nur auf eine abgesonderte Person mit Verantwortung für agile Methoden und Innovation zu setzen. Natürlich ist es gut, “frischen Wind” an Bord zu haben. Auch Verantwortungsfreiräume für engagierte Menschen sind eine gute Sache. Aber um die tiefgreifenden und teilweise anstrengenden Prozesse der ernsthaften Reflexion und Veränderung ihres eigenen Tuns kommen sie nicht herum. Es reicht nicht, als Sponsor in den Raum zu fliegen und den “jungen Wilden” pauschal die volle Unterstützung zuzusagen. Sie müssen sich schon die Zeit nehmen, in die Diskussions- und Arbeitsprozesse der Veränderung einzutauchen und vor allem selbst bereit sein, sich Feedback geben zu lassen und zu lernen, wenn Sie wollen, dass der Entwicklungsprozess in ihrem Unternehmen Fahrt aufnimmt.

3) Ganz typischer Fehler “Struktur und Prozess. What doesn’t get measured doesn’t get managed”

Ein Klassiker, gerade in der deutschen, von technischer Expertise und Ingenieurtum geprägten Firmenkultur.

Sie sind durchaus offen für Neues. Sie binden Altgediente und Neue in Veränderungsprojekte ein. Sie balancieren gekonnt was früher erfolgreich war mit neuester Forschung. Eigentlich machen Sie alles richtig.

Aber – sie fokussieren in der Umsetzung ganz und gar auf Strukturen und Prozesse. “Design Thinking” soll eingeführt werden? Dafür gibt’s jetzt einen Prozess und fest benannte Verantwortliche. “Learning Culture” – das geht über ein Bonussystem. “Innovation” – natürlich haben Sie die neueste Software und noch dazu klare Kriterien für die Bewertung von innovativen Ideen.

Und anfangs scheint auch alles ganz gut zu funktionieren. Bis sie dann merken, dass in den neuen Prozessen immer noch dieselben Menschen stecken mit denselben Verhaltensweisen wie früher.

Was ist passiert? Sie haben sich ähnlich verhalten wie der arme Mensch, der seinen im Park verlorenen Schlüssel unter der Straßenlaterne suchte, weil da mehr Licht war. Oder seine Kollegin, die für alle Probleme einen Hammer verwendete.

Die Veränderung von Unternehmenskultur, Verhaltensweisen und Einstellungen in der Zusammenarbeit funktioniert anders als übliche Business-Themen. Sie ist weniger eindeutig, weniger geradlinig, weniger kontrollier- und beherrschbar als die Implementierung eines neue SAP-Systems (und das kann schon recht anstrengend sein 🙂 Und weil die meisten von uns nicht wirklich geübt sind im Umgang mit solchen “unklaren” Themen, greifen wir auf die Instrumente zurück, mit denen wir uns am vertrautesten fühlen: Projektpläne, Regeln, Kennzahlen, Boni. Klassischer Fehler.

Leider lassen wir dabei wesentliche Elemente aus, die notwendig sind um ein Unternehmen “zukunftsfähig” zu halten:

  • Räume und Orte, um Veränderungen zu besprechen und im Dialog echte Motivation und Einsicht in eine gemeinsame Richtung zu entwickeln.
  • Die Zeit und Geduld, neue Fähigkeiten zu lernen und zu trainieren – nicht nur in Seminaren, sondern im Alltag, immer wieder, Schritt für Schritt und alle gemeinsam.
  • Die Sensibilität für die Wirkung von Signalen auf der Ebene der Kultur, implizite Reaktionsmechanismen, die neues, riskantes Verhalten sozial bestrafen und bei denen sich Rollenvorbilder auf das Vormachen des scheinbar Perfekten beschränken anstatt sich authentisch als fehlbare Vorbilder im Lernen zu zeigen.
  • Und die Einordnung all dieser Veränderungen in einen Gesamtzusammenhang, der Orientierung gibt und die vielen verschiedenen Instrumente und Ideen unter einem strategischen und kulturellen Dach vereint.

Natürlich braucht es zu gegebener Zeit auch Strukturen und Prozesse. Aber im Zweifelsfall ist sind diese das Element, das am wenigsten Aufmerksamkeit braucht. Denn das können Sie ja schon.

4) Innovationsfehler: „Das ändern wir. Hier, jetzt und sofort.“

Oft bekomme ich Anfragen für Veränderungsprojekte, die sehr, sehr dringend sind. Da wird “morgen” ein entscheidender Workshop zum Thema Innovation gemacht, um “unsere Kultur endlich zu verändern”. Da wird schnell noch ein Papier geschrieben, damit der Vorstand “auch das Change-Konzept abnimmt”. Da werden in einem große Wurf mehrere Führungskräfte durch Seminare geschleust, damit sie endlich wissen, wie das geht mit der Agilität.

Leider, leider funktioniert Zukunftsfähigkeit so gerade nicht. Das, worum es bei dem sinnvollen Anteil der oben genannten Schlagwörter wirklich geht, sind Lern- und Veränderungsprozesse im Unternehmen, die Zeit und Geduld brauchen. Die mehrere Schritte durchlaufen, und zwar nicht nur gerade nach vorn, sondern auch zur Seite und immer wieder auch zurück. Und die ihren ganz eigenen Rhythmus haben und über Monate und Jahre laufen mit sehr unterschiedlichen Intensitäten.

Nehmen Sie sich die Zeit, ihren Veränderungsprozess zu gestalten. Immer wieder, immer wieder. Und möglichst integriert in den Unternehmensalltag. Sie werden merken, dass das auf Dauer die effizientere Strategie ist – einfach, weil die Resultate tiefer gehen und nachhaltiger wirken.  Und das bedeutet höhere Margen, mehr Erfolg und weniger Reibungsverluste.

5) „Das müssen wir mal ganz genau anschauen – und dann machen wir einen Plan, den wir ausrollen.“

Da will eine*r alles richtig machen. Ein großes Veränderungsprogramm muss her. Drei Jahre, großes Projektteam, externe Beratung – jetzt wird richtig auf den Putz gehauen.

Und weil die große Investition auch gerechtfertigt werden muss, will man vorher alles ganz richtig machen. Also: Präzise, messbare Ziele, genauer Zeitplan, strukturierter Rollout. Wenn es klappen soll, dann aber richtig.

Das einzige Problem: In dem Moment, wo man versucht, die Ziele und den Prozess präzise zu beschreiben, merkt man, an wie vielen Stellen Unsicherheit besteht. Wie genau sieht eigentlich ein innovationsförderliches Zielverhalten für eine Entwicklungsingenieurin aus? Soll das schon laufende Projekt zur Veränderung des Vertriebsansatzes integriert werden oder nicht? Und was ist mit den Überlegungen aus HR, das Führungskompetenzmodell zu überarbeiten? Und woher weiß ich eigentlich genau, welche Zielstruktur die zum Thema passende Reorganisation in zwei Jahren haben soll?

Mit all diesen Fragen lässt sich wunderbar ein großes Team – intern wie extern – lange, lange beschäftigen. Das Resultat: Viel Geld und Zeit investiert für Analyse, Planung, Diskussionen und Entscheidungen – aber nichts ist passiert im Unternehmen. Außer, dass der Unmut über “die da oben” gestiegen ist.

Es hilft nichts: kulturelle Veränderungsprozess sind “messy”. Sie sind nur im Groben planbar. Sie haben ihre eigene Dynamik, was Inhalte, Fortschritte, Motivation und Begeisterung anbelangt. Und darauf muss man sich einstellen, wenn man einen solchen Prozess professioneller gestalten möchte (er läuft sowieso die ganze Zeit ab, man kann ihn also eigentlich nicht “beginnen”).

Ist das ein Plädoyer für Chaos und reine Improvisation? Nein, natürlich nicht. Aber es geht besser als mit viel Analyse und Planung. Und zwar…

  • mit einer bewusst groben Langfristplanung, die im Endeffekt nur eine vorläufige Vision, grobe Phasen und Rollen beschreibt sowie einige Arbeitsprinzipien inkl. der Vereinbarung, die Arbeitsweise auf der Reise immer wieder zu reviewen und anzupassen,
  • mit einer Kombination von Diagnose, Analyse, Reflexion und ersten Veränderungsinterventionen am Anfang. Das heißt die Reise startet in eine erste Phase, in der man gemeinsam herausfindet, was eigentlich Sache ist, wohin man will und wie die verschiedenen Beteiligten diese Aspekte sehen, aber schon in Formaten, die möglichst viele Menschen mit einbeziehen, und in denen immer auch schon erste Veränderungsimpulse erarbeitet und im Anschluss ausprobiert werden – simultan mit einer parallel laufenden, ständig aktualisierten Planung. Und
  • mit einer Kombination aus Empowerment und Unterstützung vieler Einzelner im Unternehmen, die motiviert werden, im Kontext der großen Reise eigene Initiativen zu starten und dabei begleitet, mentoriert und mit Ressourcen unterstützt werden, wo immer nötig.

 

Florian (Weltgestalter Coaching)

About the author

Florian ist Entwicklungspartner für Persönlichkeit, Führung und Kultur.

Er hilft Führungskräften und Unternehmer*innen, ihre persönlichen Werte zu leben, ihr Purpose-Thema zu finden und dieses souverän zum Erfolg zu führen.

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